Aktuell geben die Gesundheitsbehörden in ihren regelmäßigen Darstellungen der Corona-Krankenhausdaten den Impfstatus der Patient:innen nicht an. Das Institut für Allgemeinmedizin hat eine Recherche zu den hospitalisierten Covid-19 Durchbruchinfektionen in Südtirol, Italien und im Ausland durchgeführt.
Dieser Beitrag ist Teil der Covid-19-Beratung für Allgemeinmediziner:innen. Anhand neuester Informationen der internationalen wissenschaftlichen Institute und aktueller Studienergebnisse beantwortet das Forschungsteam des Instituts laufende Fragen rund um das Coronavirus. Die Antworten werden auf dem Blog veröffentlicht und stehen allen Interessierten zu Verfügung.
Der Südtiroler Bevölkerungsschutz informiert nach dem Datenstand des Südtiroler Sanitätsbetriebes regelmäßig zur Situation der Coronavirus Pandemie des Landes (Zivilschutz Dashboard). Analog berichtet für Österreich das Dashboard der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, kurz AGES, und verwendet die von den Ländern eingespeisten Daten des epidemiologischen Meldesystems (AGES Dashboard). Dashboards stellen die laborbestätigten, genesenen, aktiven und verstorbenen Fälle sowie Testungen und Hospitalisierungen dar.
In Italien berichtet dazu tagesaktuell das Istituto Superiore di Sanità, ISS, und listet dabei auch die Daten für SARS-CoV-2-Infektionen beim Gesundheitspersonal auf (ISS Dashboard). Nur in Österreich sind in diese tagesaktuellen Meldungen auch die „7-Tage-Inzidenz der SARS-CoV2 Infektion nach Impfstatus und Altersgruppe“ sowie die „7-Tage Inzidenz der symptomatischen SARS-CoV2 Infektion nach Impfstatus und Altersgruppe“ abrufbar (AGES Coronavirus).
Keines der drei Dashboards unterscheidet bei den Krankenhausaufnahmen und Intensivstationsbehandlungen nach dem Impfstatus.
Italien
Am 17. November 2021 berichtete das ISS, dass in Italien mit Stand 30. Oktober 2021 46.147.375 Personen zumindest einmal geimpft waren. Zwischen 15. Oktober und 14. November 2021 wurde bei 76.139 so Geimpften ein positiver PCR-Test für SARS-CoV-2 nachgewiesen, das entspricht 16 Personen von 10.000 Geimpften. Von 7.862.567 Nicht-Geimpften waren das 50.564, entsprechend 64 von 10.000 Personen, das sind 4 Mal so viele wie bei den Geimpften (ISS 17. November 2021). Im ISS Bericht sind auch die dazugehörigen COVID-19-Erkrankungen mit Krankenhausaufnahme, Intensivpflege und Todesfällen nach dem Impfstatus beschrieben (Abb. 1). Nicht-geimpfte Infizierte wurden im Beobachtungszeitraum wegen COVID-19 um 0,5 Mal mehr stationär aufgenommen und haben eine 5-Mal höhere Sterblichkeit als teilweise Geimpfte und Geimpfte (Tab. 1).
*Die Anzahl der in dieser Abbildung dargestellten Ereignisse stimmt möglicherweise nicht mit der Anzahl der Ereignisse überein, die im täglichen COVID-19-Bulletin des Ministeriums für Gesundheit und des Bevölkerungsschutzes gemeldet werden. Unterschiede sind darauf zurückzuführen, dass im Bulletin die gemeldeten Ereignisse nach dem Meldedatum enthalten sind, während in dieser Tabelle das Erfassungs- bzw. Diagnosedatum verwendet wird. Außerdem können Unterschiede durch Meldeverzögerungen verursacht sein. Hier gemeldete Krankenhausaufenthalte, Intensivaufenthalte und Todesfälle beziehen sich auf den Diagnosezeitraum, um die für die Verschlechterung nach der Diagnose erforderliche Zeit und die Benachrichtigungsverzögerung zu berücksichtigen.
Nach im ISS-Bericht veröffentlichten italienischen Daten (ISS 17. November 2021) können zur Häufigkeit der symptomatischen SARS-CoV-2 Durchbruchinfektionen, die nicht zu einer Krankenhausaufnahme führen sondern häuslich versorgt werden, jedoch keine Aussagen gemacht werden.
USA und Israel
Daten vom 6. November 2021 aus den USA, die von einem Verbund von Arztpraxen, Ambulatorien und Krankenhäusern in 42 US-Bundesstaaten stammen, welche zusammen mehr als 16% der gesamten klinischen Versorgung abdecken, zeigen, dass symptomatische Durchbruchinfektionen bei 1,7 Millionen vollständig geimpften Personen mit einer Häufigkeit von etwa 1 % aufgetreten sind (Truveta 6. November 2021). Ähnliche kumulative Häufigkeiten wurden in kleineren Studien aus den USA und Israel für geimpfte Menschen in den Gesundheitsberufen angegeben (CDC 30. April 2021, NEJM 14. Oktober 2021).
Österreich
Auch zu Österreich berichtete die AGES, dass von 5.421.690 Personen mit vollständiger Impfung bisher kumulativ 66.014 Fälle (1,22 %) an symptomatischen Impfdurchbrüchen gemeldet wurden (AGES 17. November 2021). Auf 1.000 vollständig geimpfte Personen kommen somit rund 10 bis 12 Personen, die bisher einen Impfdurchbruch erlitten haben. Die alleinige PCR-Test-Positivität für SARS-CoV-2 ohne klinische Symptomatik wird in den Angaben von Österreich nicht als Impfdurchbruch klassifiziert, weil die aktuell zugelassenen COVID-19-Impfstoffe zur Verhinderung der Erkrankung an der SARS-CoV-2-Infektion entwickelt und zugelassen wurden und nicht zur Verhinderung der PCR-Test-Positivität für SARS-CoV-2.
Im AGES Bericht vom 17. November 2021 wird noch näher auf den Impfstatus von COVID-19-Erkrankten eingegangen. Von insgesamt 325.165 laborbestätigten Fällen von SARS-CoV-2 Infektionen mit klinischer Symptomatik waren seit Anfang Februar 2021 insgesamt 66.014 (20,30 %) Personen im Alter von über 12 Jahren vollständig geimpft; innerhalb der letzten 4 Kalenderwochen (KW 42-45) traten unter 106.336 symptomatischen laborbestätigten SARS-CoV-2 Infektionsfällen 42.854 (40,30 %) Fälle auf, die vollständig geimpft waren (AGES 17. November 2021).
Diese Verdoppelung der symptomatischen Infektionen bei Geimpften zu Beginn der vierten Welle bestätigt zum einen, dass die Anzahl der Impfdurchbrüche vom Infektionsdruck abhängig ist: je mehr aktive Fälle einer SARS-CoV2 Infektion es in der Bevölkerung gibt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, sich als geimpfte Person zu infizieren. Zum anderen ist bekannt, obwohl die Impfung besonders vor schwerer COVID-19 Erkrankung schützt, dass mit der Impfung nicht alle SARS-CoV-2-Infektionen verhindert werden können.
Die Wirksamkeit der COVID-19-Impfungen beträgt nicht 100 %. Personen, z.B. mit Immundefizienz oder bei denen die Grundimmunisierung schon mehrere Monate zurück liegt, sind weniger schützt. Wären alle Menschen geimpft, würde die Rate an Durchbruchinfektionen bei 100% liegen, was veranschaulicht, dass die statistische Zahl an Durchbruchinfektionen neben anderen Faktoren auch von der Durchimpfungsrate beeinflusst ist.
In Österreich wurden im bisherigen Pandemie-Verlauf insgesamt 7,5 % der positiv Getesteten hospitalisiert und 1,3 % intensivmedizinisch betreut. Mit Stand 9.11.2021 waren 48,5 % der COVID-19 Patientinnen und Patienten auf den Normalstationen vollständig geimpft, auf Intensivstationen lag dieser Anteil bei 25,75 % (Gesundheit Österreich 11. November 2021). Nach den Daten aus den USA (Truveta 6. November 2021), benötigten geimpfte Personen mit symptomatischen Durchbruchinfektionen in 10,2 % der Fälle (95 % Konfidenzintervall, 9.5 – 10.9) eine Krankenhausbehandlung, sofern sie frei von Komorbiditäten waren. Der Hospitalisierungsbedarf erhöhte sich bei Vorliegen von Komorbiditäten in dieser Studie deutlich (chronische Nierenkrankheit 26,0 % [23,9 % – 28,2 %], chronische Lungenkrankheit 16,2 % [14,5 % – 18,2 %], Diabetes 19,8 % [17,8 % – 22,0 %], Immundefizienz 20,1 % [17,7 % – 22,6 %]). Diese Angaben können ohne Relation zur Durchimpfungsrate nicht sinnvoll interpretiert werden (siehe oben). Mit Stand 11.11.2021 waren in Österreich bereits 83 % der über 60-Jährigen, die den Großteil der bisherigen ICU-Patientinnen darstellen, geimpft. Hinzu kommt, dass der kausale Hospitalisierungsgrund oft nicht bekannt ist.
Tirol
Im Bundesland Tirol waren am 21.11.2021 220 COVID-19-Patientinnen und -Patienten hospitalisiert; davon waren 179 auf Normalstationen (81 %) und 41 auf Intensivstationen (19 %) aufgenommen. Von den 179 Patientinnen und Patienten auf Normalstation waren 80 voll geimpft (36 %); bei 2 Personen war der Impfstatus nicht feststellbar. Von den 41 Personen auf Intensivstation waren 9 voll geimpft (22 %); bei 7 Personen konnte der Impfstatus nicht bestimmt werden (Prof. Dr. Michael Joannidis – Innsbruck, persönliche Mitteilung). Diese Zahlen liegen im Bereich der Angaben zu ganz Österreich (Gesundheit Österreich 11. November 2021).
Südtirol
In Südtirols öffentlichen Krankenhäusern lagen am 23.11.2021 90 COVID-Patientinnen und -Patienten stationär, 9 (10 %) davon auf Intensivstation und 81 (90 %) auf Normalstation (Zivilschutz Dashboard). Laut „Tagesschau“ des Senders RAI Südtirol und Pressekonferenz der Landesregierung war keine der Personen auf Intensivstation geimpft (Die Neue Südtiroler Tageszeitung Online 8. Dezember 2021 / Südtirolnews 23. November 2021). Weitere 50 Patientinnen und Patienten sind in COVID-19 Normalstationen von Privatkliniken untergebracht. Der Impfstatus der Personen auf den Normalstationen wird nicht öffentlich gemacht. Die nationalen Daten (Tab. 1) bleiben für Südtirol nur eingeschränkt aussagekräftig, weil darin die Autonome Provinz Bozen die mit Abstand höchste Inzidenz im Berichtszeitraum aufweist.
Abschließender Kommentar
Impfdurchbrüche sind in der Regel zwar meldepflichtig, Details der Meldeformulare für COVID-19 werden aber vielerorts erst an die Besonderheiten der Pandemie angepasst (UK Health Security Agency 11.11.2021). Der Umgang mit der Veröffentlichung von Daten zu den COVID-19 Durchbruchfällen ist daher von Land zu Land unterschiedlich und insgesamt zurückhaltend, wohl auch vor dem Hintergrund der Gefahr der Instrumentalisierung durch aktivistische Impfgegner. Dennoch fordern Experten von den Gesundheitsagenturen zunehmend einen transparenteren Umgang mit Durchbruchinfektionen bei COVID-19 (CBC News, 1.10.2021).
FAZIT
Mit Stand 9.11.2021 waren in Österreich 48 % der COVID-19 Patientinnen und Patienten auf den Normalstationen vollständig geimpft, auf den Intensivstationen lag dieser Anteil bei 26 %. In Tirol lagen sie am 21.11.2021 bei 36 % bzw. 22 %.
Weil kein COVID-19-Impfstoff zu 100 Prozent wirksam ist, ist auch bei vollständig geimpften Personen mit Infektionen zu rechnen. Durchbruchinfektionen nach der COVID-19 Impfung treten jedoch viel seltener auf, als Infektionen bei ungeimpften Personen, und ein höherer Anteil bleibt asymptomatisch.
Ist der Infektionsdruck, wie aktuell in der vierten Welle, höher, steigt auch die Zahl der Impfdurchbrüche und der Erkrankungsschwere, besonders wenn Komorbiditäten vorliegen. Die zur aktuellen Situation unter Berücksichtigung des Impfstatus veröffentlichen Krankenhausdaten bestätigen die hohe Wirksamkeit der COVID-19-Impfung (Abb. 2). Wegen der vielen möglichen Einflussfaktoren auf die Häufigkeitsverteilungen zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften – und um Fehlinterpretationen vorzubeugen – wird in den Dashboards auf den Impfstatus in den Darstellungen der Krankenhausdaten noch verzichtet. Mit der Verbesserung der Qualität der Meldedaten ist aber damit zu rechnen, dass COVID-19 Durchbruchinfektionen bald auch Teil der laufenden Überwachungsberichte werden.
Für das Institut Christian Wiedermann, Internist und Wissenschaftler am Institut für Allgemeinmedizin.
Importante da sapere: I singoli articoli del portale sanitario online dell’Istituto di Medicina Generale non vengono aggiornati. Il contenuto si basa su ricerche e prove scientifiche disponibili al momento della pubblicazione. Le informazioni sanitarie online non possono sostituire un consulto medico personale. Le consigliamo di consultare il Suo Medico di Medicina Generale per eventuali problemi di salute. Ulteriori informazioni